Transplantationsmedizin im Blickpunkt
Unter dem Vorsitz von Prof. Raimund Margreiter, dem österreichischen Transplantationspionier und Vorstand der Uniklinik für Chirurgie treffen sich in dieser Woche 4.000 Experten in Wien, um über die Zukunft der Transplantationsmedizin zu diskutieren. Österreich kommt in dieser Fachrichtung eine internationale Führungsrolle zu, deren Bedeutung durch diesen Kongress unterstrichen wird.
Die diskutierten Themen beim 20. Kongress der Transplantation Society im Austria Center in Wien reichen von der Organisation des Organspendewesens über chirurgische Techniken und die Immunologie bis hin zu Zell- und Stammzelltransplantation sowie Xenotransplantation und die möglichen Anwendungen der Gentherapie in der Transplantationsmedizin. "Die chirurgischen Probleme in der Transplantationsmedizin sind weitgehend als gelöst zu betrachten. Heute geht es wissenschaftlich bei der Verpflanzung von Organen zunehmend um die Herbeiführung einer immunologischen Toleranz des Empfängers gegenüber dem Spenderorgan, um die Verhinderung des Versagens eines Organs auf Grund chronischer Abstoßungsreaktionen und um die Überwindung des Mangels an Spenderorganen", erklärte Prof. Margreiter bei einer Pressekonferenz im Vorfeld des Kongresses.
Spenderorgane sind knapp
Die Ein-Jahres-Ergebnisse der Nierentransplantation liegen heute zwischen 85 und 90 Prozent. Die Ergebnisse der Herz- und Lebertransplantation erreichen 85 Prozent, die Lungentransplantation bewegt sich auf 80 Prozent Ein-Jahres-Funktion zu. Doch es gibt bei allen Fortschritten weiterhin Probleme. Hier sind vor allem zwei Hauptthemen zu nennen: das Langzeitversagen von transplantierten Organen und die weltweit zunehmende Knappheit an Spenderorganen mit immer länger werdenden Wartelisten für Schwerstkranke. Raimund Margreiter fordert deshalb zur Nutzung aller vorhandenen Möglichkeiten auf, um das Aufkommen an Spenderorganen zu erhöhen: "Wenn eine Gesellschaft die Organtransplantation als wichtige medizinische Therapie anerkennt, dann hat sie die Verpflichtung, auch für ein optimales Organspendewesen zu sorgen."
Abstoßungsreaktion bleibt ein Problem
Das zweite große Thema ist die Beherrschung der Abstoßungsreaktion. Mitveranstalter Prof. Ferdinand Mühlbacher von der Medizinuni Wien erklärte: "Noch immer gibt es eine Halbwertszeit der Funktionstüchtigkeit von Spendernieren von etwa zehn Jahren. Die Hälfte aller Lebertransplantate und der Spenderherzen versagt binnen 15 Jahren." Obwohl erst die modernen Medikamente zur Beherrschung der Abstoßungsreaktion die Erfolge in der Transplantationsmedizin möglich gemacht haben, sind sie selbst wieder Ursache für Langzeitprobleme. Deshalb wird nach Möglichkeiten gesucht, möglichst ohne diese Medikamente auszukommen. Hier sollen in Wien auch die neuesten Fortschritte bei der Induktion von immunologischer Toleranz zwischen Spender und Empfänger diskutiert werden. Im Tierversuch gelingt es bereits, durch gleichzeitige Übertragung von Spenderorgan und Knochenmark-Stammzellen des Spenders auf den Empfänger eine solche Toleranz herbeizuführen. Dieses Konzept des "gemischten Chimärismus" wird von mehreren Forschungsgruppen weltweit untersucht. Auch wenn man mit solchen Strategien nur eine Dosis-Reduktion bei den Immunsuppressiva erreichen könnte, wäre das ein Erfolg.
Heimische Erfolge
Österreich, und hier besonders Innsbruck, nimmt in der internationalen Transplantationsmedizin eine führende Rolle ein. So fanden hier die weltweite erste kombinierte Leber-Nierentransplantation (1983) und die erste Herz-Lungentransplantation (1985) statt. 1989 erfolgte in Innsbruck die weltweit erste Mehrfachtransplantation von Leber, Magen, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm bei einem Erwachsenen, die auch die erste erfolgreiche Multiviszeraltransplantation überhaupt war. Auch die erfolgreiche Transplantation von zwei Händen beim Bombenopfer Theo Kelz sorgte für internationales Aufsehen. Für Prof. Margreiter gibt es aber noch viel zu tun, denn ungeachtet der internationalen Erfolge sind gerade in der Forschung Verbesserungen notwendig. Um uns in der Grundlagenforschung international konkurrenzfähig zu halten, müssen weitere personelle und organisatorische Ressourcen bereitgestellt werden. Auch in der Frage der Spenderorgane muss es Verbesserungen geben, da deren Mangel ein entscheidendes Hindernis darstellt. Allein in Österreich warten derzeit rund 1.000 Patienten auf ein Spenderorgan. Rechtlich gilt Österreich freilich international als vorbildlich. Mit dem Transplantationsgesetz aus dem Jahr 1982 wurde festgelegt, dass von Hirntoten Organe entnommen werden dürfen, wenn nicht zu Lebzeiten Widerspruch gegen eine etwaige Organspende dokumentiert worden ist.