Der Regulation aggressiven Verhaltens auf der Spur
Gemeinsam mit australischen Kollegen hat Christoph Schwarzer vom Institut für Pharmakologie einen Rezeptor identifiziert, der möglicherweise die menschlichen Grundbedürfnisse verschränkt. Dabei konnte erstmals die Rolle von Neuropeptid Y (NPY) bei aggressivem Verhalten aufgezeigt werden. Mäusen ohne Y1 Rezeptoren für die Aufnahme von NPY zeigen eine höhere territoriale Aggression.
Seit Jahren arbeiten die Forscher des hiesigen Instituts für Pharmakologie und des australischen Garvan Institute of Medical Research eng zusammen. Während eines einjährigen Forschungsaufenthalts von Christoph Schwarzer in Sydney wurde ein Projekt zum Y1 Rezeptor initiiert, dessen Ergebnisse nun in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht wurden. Der an der Universität Innsbruck ausgebildete Biochemiker Herbert Herzog ist als Projektleiter am Garvan Institute tätig und hat für das Experiment Mäuse ohne Y1 Rezeptor generiert und deren Verhalten getestet. In Innsbruck wurden die neurochemischen Untersuchungen für die Veränderungen der Neuropeptidexpression in einzelnen Hirnarealen durchgeführt. Unterstützt wurde das Projekt vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF).
Wichtiger Botenstoff
Neuropeptid Y (NPY) ist im Zentralen Nervensystem eines der am weitesten verbreiteten Neuropeptide und in sehr viele neurologische und physiologische Funktionen involviert. Der Botenstoff spielt eine Rolle bei der Regulation des Hungers und steuert die Ressourcen-Verteilung im Körper. Bei Nahrungsmangel unterdrückt er die Fortpflanzung und konzentriert alle Energie auf das Überleben. Auch für Lern- und Merkfähigkeit, Stress, Angst und den Blutdruck ist das Molekül mitverantwortlich. Die Funktion ist wie bei den meisten Neuropeptiden modulatorisch und von der Art des Rezeptors abhängig, der in der speziellen Funktion beteiligt ist. Für NPY sind im Menschen derzeit vier, in der Maus fünf Rezeptoren bekannt, wobei manchmal mehrere an der Regelung einer Funktion beteiligt sind. Neueste Erkenntnis der Wissenschaftler um Christoph Schwarzer ist die Bedeutung von NPY für aggressives Verhalten, die bisher unbekannt war. Mäuse ohne Y1 Rezeptoren zeigen eine erhöhte territoriale Aggression. Wenn zwei Männchen in einen neuen Käfig gesetzt werden, zeigen sie ein normales Verhalten. Wird aber ein Männchen in den Käfig eines anderen Männchens gesetzt, verteidigt dieses sein Revier mit deutlich größerer Vehemenz. Für dieses Verhalten werden vor allem Veränderungen in der serotonergen Innervierung der Amygdala verantwortlich gemacht.
Regulator im Überlebenskampf
Durch die neurochemische Untermauerung von Funktionen, für die die Beteiligung von Y1 Rezeptoren postuliert wurden, sowie deren Verknüpfung miteinander ist es uns außerdem gelungen den Y1 Rezeptor als regulatives Element im Überlebenskampf zu identifizieren, erklärt Christoph Schwarzer. So sind Y1 Rezeptoren zum einen in der Energie-Homeostase beteiligt (Mäuse ohne Y1 zeigen eine späte Fettleibigkeit), zum anderen an der Unterdrückung der Fortpflanzung bei geringem Futterangebot (wahrscheinlich über die Unterdrückung der Expression von Gonadotropin Releasing Hormone in Vorderhirnregionen). Für beides konnten neurochemische Hintergründe aufgezeigt werden. Durch die erhöhte Expression von GnRH in Mäusen ohne Y1 Rezeptoren zusammen mit den in dem Projekt gezeigten Veränderungen in Teilen der Amygdala und Hirnregionen, die mit dieser in Kontakt stehen, lässt sich die hohe territoriale Aggression erklären. Miteingebunden dürfte hier auch jene Geruchssinnachse sein, die für die Wahrnehmung der Pheromone (Sexuallockstoffe) eine zentrale Bedeutung spielen, so Schwarzer abschließend.