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Telemedizin – weites Feld mit hohem Potential

In Österreich ist die Telemedizin, also medizinische Leistungen, bei denen die Beteiligten räumlich oft weit voneinander entfernt sind, noch relativ jung und vor allem in den Bereichen Teleradiologie und Telepathologie im Einsatz. In Innsbruck beschäftigen sich die Pathologin Patrizia Moser und der Radiologe Peter Sögner auch theoretisch mit den Chancen und Grenzen dieser medizinischen Sonderform.

Blitzschnelle Ergebnisse

Ein Beispiel aus der Pathologie: Im Innsbrucker Institut für Pathologische Anatomie (Vorstand: Prof. G. Mikuz, FRCPath) werden Gewebeproben aus ganz Tirol untersucht und befundet. Die klassische Vorgangsweise, bei der eine Gewebeprobe in Paraffin eingelegt und später für die mikroskopische Untersuchung in „hauchdünne Scheibchen“ geschnitten wird, dauert mindestens einen Tag.

Aber es geht auch anders: Gerade in der operativen Krebsbehandlung, etwa, wenn ein Stück Darm entfernt wird, hilft es zu wissen, ob alle befallenen Teile erfasst wurden, also die Schnittränder im tumorfreien Gewebe verlaufen, und das möglichst noch während der Operation, sodass dem betroffenen Patienten eine zweite Operation erspart werden kann. In solchen Fällen wird ein so genannter Schnellschnitt gemacht. Dazu wird die Operation angehalten, die Gewebeprobe schockgefroren und sofort untersucht. Das Ergebnis liegt innerhalb von 10 bis 15 Minuten vor und entsprechend wird die operative Behandlung fortgesetzt. In kleineren, peripher gelegenen Krankenhäusern ist aber im Gegensatz zu großen Universitätskliniken in der Regel kein Pathologieinstitut vorhanden.

In diesem Fall kann nun mithilfe von Telemikroskopen, die ein digitales Abbild des Gewebes zur Schnellschnittbefundung auf einen PC in einem Pathologieinstitut übertragen, den PatientInnen geholfen werden. Der Bereich Telepathologie wird in Innsbruck federführend von Frau Prof. Moser betreut.

Infrastrukturelle Mängel ausgleichen

In dünn besiedelten Ländern mit schwacher Infrastruktur wie Australien sind „flying doctors“, die über Funk Menschen in entlegenen Gebieten betreuen, schon seit langem im Einsatz. Aber auch in Österreich gibt es Defizite, die die Telemedizin gut ausgleichen kann. Außer in Unikliniken steht z.B. fast nirgends ein radiologischer Dienst rund um die Uhr zur Verfügung. Schon 1996 stellte Prof. Jaschke von der Uniklinik für Radiodiagnostik über eine Point-to-Point-Verbindung Notdiagnosen für das Krankenhaus in Zwettl. Von 1997 bis 2001 führte die klinische Abteilung für Radiologie II unter der Leitung von Prof. Dieter zur Nedden ein Pilotprojekt mit dem Krankenhaus Reutte durch. Zusammen mit dem Tiroler Landtag wurde dafür 1997 eine Richtlinie ausgearbeitet, die den medizinischen, wirtschaftlichen, rechtlichen und technischen Rahmen für das Projekt schuf. Heute ist die Innsbrucker Universitätsklinik für Radiologie mit allen Tiroler Krankenhäusern vernetzt und behandelt so viele Fälle im Monat wie früher im Jahr. Sie ist wahrscheinlich die einzige Institution in Europa, die nach dem Qualitätsstandard ISO9001:2000 im Bereich Teleradiologie zertifiziert ist. Dr. Sögner, der schon an der Tiroler Richtlinie mitgearbeitet hatte, leitet heute den klinischen Bereich Teleradiologie.

Medizin, Recht, Wirtschaft und Technik

Die hohen Anforderungen an die Übertragungs- und Verschlüsselungstechnik, sowie die Digitalisierung der verwendeten Bilder und Schnitte verführen dazu, bei Telemedizin zuerst an die technischen Aspekte zu denken. Rasante Entwicklungen in IT und Telekommunikation sowie fortschreitende Standardisierung haben eine Situation geschaffen, in der die breite Anwendung telemedizinischer Einrichtungen technisch oft kein Problem mehr darstellt. Die große Herausforderung besteht darin, medizinische, rechtliche, wirtschaftliche und auch zwischenmenschliche Aspekte, die sich aus der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Institutionen ergeben, zum Wohle der PatientInnen in den Griff zu bekommen. Wichtige Vorarbeiten in diesem Bereich leistete Frau Prof. Moser, die in ihrer Habilitationsschrift und verschiedenen vorangegangenen Einzelarbeiten Aspekte wie Treffergenauigkeit von telepathologischen Befunden, Kostenverträglichkeit, aber auch die Bedeutung telemedizinischer Inhalte sowohl für die universitäre Ausbildung als auch für wissenschaftliche Forschungsvorhaben untersuchte.

Ihre Erkenntnisse sind, zumindest tendenziell, auch auf andere Gebiete der Telemedizin übertragbar. Unter Studierenden ist das Bewusstsein für die Bedeutung und die potentiellen Vorteile der Telemedizin groß und seit einiger Zeit wird auch eine Vorlesung zum Thema Telemedizin am Institut für Anatomische Pathologie angeboten. Die klaren Vorteile telemedizinischer Einrichtungen wie z.B. bessere Versorgung vor Ort, besserer Zugang zu Zweitmeinungen und die wachsende Sicherheit im Umgang mit der neuen Technologie sorgen für zunehmende Akzeptanz in der Praxis. Seit den 1990er Jahren wird immer mehr zum Thema Telemedizin veröffentlicht, ein Indiz dafür, dass ein reger Erkenntnissaustausch zwischen Praxis und wissenschaftlich-theoretischer Beschäftigung mit Telemedizin stattfindet.

In Zukunft gibt es für die Telemedizin auch im Bereich der Hauskrankenpflege (Telecare) und der Aus- bzw. Fortbildung (e-learning) vielversprechende Einsatzmöglichkeiten.