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Computerunterstützte Interventionen von Kopf bis Fuß

Moderne Visualisierungs-, Navigations- und Robotertechniken ermöglichen äußerst exakte medizinische Eingriffe. Das interdisziplinäre Stereotaktische Interventions- und Planungslabor (SIP-Labor) an der Abteilung für Radiodiagnostik I der Universitätsklinik Innsbruck arbeitet seit zehn Jahren mit unterschiedlichen computerunterstützten Systemen an Interventionen von Kopf bis Fuß.

Die Zukunft von minimal-invasiven Eingriffen wird im SIP-Labor an der Abteilung für Radiodiagnostik I unter Vorstand Univ.-Prof. Werner Jaschke evaluiert. Ao.Univ.-Prof. Reto Bale, Gründer und Leiter des SIP-Labors, begann 1994 in einer Arbeitsgruppe an der HNO-Klinik mit der Anwendung des ersten kommerziell verfügbaren Navigationssystems für computerunterstützte Nasennebenhöhlenoperationen. Seither wurden weitere Systeme von seinem Team entwickelt und eingesetzt. Navigationssysteme für interventionelle Eingriffe kommen heute bereits routinemäßig zum Einsatz. Präoperativ überlagerte Daten aus bildgebenen Verfahren wie Computertomographie (CT), Magnetresonanz (MR), Single Photon Emission Computertomographie (SPECT) und Positronenemissiontomographie (PET) können für präzise Punktionen von funktionell aktivem Gewebe verwendet werden.

Navigationshilfen für Operateure

Navigationssysteme bestehen aus einem 3D-Lokalisationssystem, verschiedenen Sonden und Instrumenten, einer Workstation und einem Monitor. Diese Systeme wurden ursprünglich für chirurgische Disziplinen wie die Neurochirurgie, die Orthopädie oder die HNO entwickelt, um Chirurgen unter Schonung kritischer Strukturen wie Gefäße und Nerven sicher zur gewünschten Stelle zu führen. Ähnlich wie GPS-Navigationssystemen in Autos liefern diese Systeme dem Chirurgen Orientierungsinformationen in Echtzeit. Sie zeigen während des chirurgischen Eingriffs die aktuelle Position des Instruments im Verhältnis zu präoperativen Bilddaten.

Exakte Fixierung des Patienten notwendig

Die weltweit ersten Zielvorrichtungen für die Anwendung von Navigationssystemen für präzise durch die Haut gehende Punktionen wurden in Innsbruck bereits 1995 entwickelt und durch Bale und Vogele patentiert. Entsprechende Systeme zur Fixierung der Patienten und multimodale Registrierungsvorrichtungen für CT/MR/PET/SPECT sind eine Voraussetzung für präzise Eingriffe. Für Einsätze im Kopfbereich wurde ein neues nicht invasives Fixationssystem, die so genannte Vogele-Bale-Hohner (VBH)-Kopfhalterung, entwickelt und patentiert. Der Patient wird mittels eines individuellen Zahnabdrucks, der am harten Gaumen über Unterdruck angebracht wird, fixiert. Für den Rumpf und für die Extremitäten wurde das vakuumbasierte BodyFix-Fixationssystem vom SIP-Labor in Kooperation mit der deutschen Firma Medical Intelligence entwickelt. Bei Verwendung des Treon-Navigationssystems von Medtronic in Kombination mit verschiedenen Fixationssystemen kann fast jeder Punkt im gesamten Körper mit hoher Genauigkeit erreicht werden. Der Pfad wird anhand von überlagerten 3D-Daten aus CT/MR/PET/SPECT geplant. Durch die Verwendung von PET-Daten, die den Stoffwechselumsatz in verschiedenen Arealen widerspiegeln, kann die Nadel für die Gewebeprobe im aktiven Teil des Tumors platziert werden.

Zusätzlich wird das Navigationssystem auch verwendet, um in Echtzeit aufgenommene Ultraschallbilder mit CT- und SPECT-Bildern für die Diagnose von Halstumoren und für die Radiofrequenzablation von Lebertumoren zu überlagern. Die Ultraschallsonden werden über spezielle Marker von der Kamera des Navigationssystems erkannt und im Raum verfolgt. Die Kombination von zwei überlagerten Modalitäten ist hilfreich für die Detektion und Identifikation von Tumorgewebe.

Vielfältige Anwendungen

Vom Team des SIP-Labors werden in einem CT-Interventionsraum und im OP – zum Teil in Zusammenarbeit mit den Kliniken für Neurochirurgie, Unfallchirurgie, Orthopädie, Nuklearmedizin und Strahlentherapie – unterschiedliche Verfahren durchgeführt: so die Gewebeentnahme von Kopf bis Fuß für die histologische Aufarbeitung, die perkutane Tumortherapie mit Hilfe der Radiofrequenzablation von verschiedenen Knochen- und Lebertumoren, die fraktionierte interstitielle Brachytherapie von HNO-, Knochen- und Weichteiltumoren, die retrograde Anbohrung von Knorpel-Knochen Läsionen, die perkutane Verschraubung von Beckenfrakturen, die perkutane Punktion des Trigeminusganglions durch das Foramen ovale mit nachfolgender Thermoablation bei Patienten mit Trigeminusneuralgie und die Platzierung von intrakraniellen Elektroden durch das Foramen ovale bei Patienten mit unklarer Ursache einer Epilepsie.

Im Rahmen einer Dissertation wurde unlängst eine neue bilddatengesteuerte Technik zur Fertigung von Schablonen für die präzise Platzierung von Dentalimplantaten entwickelt und mittlerweile bereits an einzelnen Patienten erfolgreich eingesetzt. Die Implantatplanung erfolgt auf Basis eines präoperativen CT-Datensatzes. Unter Zuhilfenahme der im SIP-Labor entwickelten Zielvorrichtung und des Navigationssystems wird eine individuelle Schablone mit entsprechenden Führungshülsen für den Zahnarzt im Labor gefertigt.

Zusätzlich wird derzeit der aktuelle Protoyp des SENSIOM™ 6-Arm-Roboters von Medical Intelligence für genaue Biopsie und lokale Tumortherapie getestet. Dieser erlaubt eine schnelle, sichere und automatische Führung des Instruments entlang eines vorgegebenen Pfades zu einem gewünschten Ziel.

Bald weltweit im Einsatz

Es ist nur eine Frage der Zeit bis diese Eingriffe in verschiedenen Kliniken weltweit eingesetzt werden. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Navigations-Experten vom SIP-Labor und Spezialisten von anderen Abteilungen ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Anwendung von modernen Visualisierungs-, Navigations- und Robotertechniken und damit einer verbesserten Patientenversorgung.