search_icon 

close_icon

search_icon  

search_icon  

Lücke im Verständnis der Netzhautfunktion geschlossen

Die Netzhaut im Auge besteht aus hochspezialisierten Zellen, die Lichtreize verarbeiten können. Ein Rätsel dieses Prozesses, im Stoffwechsel von Netzhautzellen, wurde nun in internationaler Zusammenarbeit in einem Projekt unter Federführung von Dr. Janecke aus einer Arbeitsgruppe um Prof. Utermann vom Institut für Medizinische Biologie und Humangenetik der Medizinischen Uni Innsbruck gelöst.

Erbliche Netzhauterkrankungen (retinale Dystrophien) gehören zu den Hauptursachen von Erblindung in der westlichen Welt. Eine Gruppe davon, Retinitis Pigmentosa, zeichnet sich durch fortschreitendes Absterben von Netzhautzellen, den so genannten Stäbchen und/oder Zapfen aus. Bei richtig arbeitenden Zellen löst ein auf den Sehpurpur (Rhodopsin in Stäbchen, die verschiedenen Opsine in Zapfen) auftreffender Lichtstrahl eine Art Dominoeffekt aus, bei dem geschätzt etwa 150 Eiweißmoleküle beteiligt sind, der schließlich ein Signal erzeugt, das vom Gehirn interpretiert werden kann. Bei fehlenden oder nicht funktionsfähigen Proteinen ist dieser Sehzyklus gestört und die Netzhautzelle zerstört sich nach einiger Zeit selbst.

Defektes Gen RDH12

Die Innsbrucker Genforscher fanden heraus, dass das in den Stäbchen und Zapfen vorhandene Gen RDH12 (Retinolhydrogenase 12) auf Chromosom 14 für die Bildung des RDH12-Enzyms zuständig ist, welches all-trans-Retinal, eine Form von Vitamin A, in all-trans-Retinol, eine andere Form von Vitamin A, umwandeln kann und so für die Funktionstüchtigkeit der Zellen sorgt. Wie alle autosomalen Gene ist auch RDH12 doppelt vorhanden. Bei nur einem defekten RDH12 funktioniert die Umwandlung trotzdem, der Mensch ist augengesund, aber Träger des veränderten Gens. Sind beide RDH12-Gene defekt, findet die Umwandlung von all-trans-Retinal zu all-trans-Retinol nicht statt, die Netzhautzellen funktionieren nicht richtig und sterben letztlich ab, der Mensch erblindet. Damit wurde eine bisher nicht bekannte Ursache für Retinitis Pigmentosa identifiziert und nachgewiesen. Das komplexe Projekt, im Laufe dessen viele PatientInnen untersucht, eine Genomanalyse und zellbiologische Untersuchungen durchgeführt wurden, erforderte die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Organisationen wie der Klinik für Augenheilkunde der Medizinischen Universität Innsbruck, dem Tiroler Blinden- und Sehbehinderten-Verband, der University of Michigan Medical School, dem Gene Mapping Center des Max Delbrück Center for Molecular Medicine in Berlin-Buch, dem Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, an dem Dr. Janecke früher selber tätig war, den Netzhautspezialisten der Universität Tübingen, sowie dem Institut für Medizinische Genetik der Charité-Hochschulmedizin Berlin. Gefördert wurde die Arbeit durch den Medizinischen Forschungsfonds Tirol und den Fonds zur Förderung der Forschung in Österreich (FWF).

Neue Fragen, neue Lösungsansätze

Die vorläufigen Ergebnisse des Projekts werden in der Augustausgabe der renommierten Fachzeitschrift Nature Genetics veröffentlicht werden und sind bereits online zugänglich. Angedacht sind nun Folgeprojekte, die den bei der bisherigen Forschung aufgetretenen Fragen nachgehen. Zwar weiß man jetzt, dass die Verwandlung von all-trans-Retinal zu all-trans-Retinol nicht funktioniert, doch welche Rolle spielt das dabei angehäufte all-trans-Retinal? Muss es abgebaut werden oder könnte man mit der Verabreichung von all-trans-Retinol die Funktionstüchtigkeit der Zelle erhalten? Die Netzhaut gehört zu den schwer zugänglichen Teilen des Auges. Die Aufklärung genetisch bedingter Störungen der Netzhautfunktion kann viel zum Verständnis der normalen und gestörten Abläufe beitragen und mittel- bis langfristig vielleicht eine Behandlung zumindest bestimmter Formen von Netzhauterkrankungen ermöglichen. Bis heute stehen bei degenerativen Netzhauterkrankungen keine effektiven Behandlungen zur Verfügung.