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Kommunikative Zwillinge

Zwei Forscherteams rund um Prof. Lukas A. Huber und Dr. David Teis vom Biozentrum Innsbruck, Division für Zellbiologie, sowie Dr. Tim Clausen und DI Robert Kurzbauer vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien ist es in einer einzigartigen Zusammenarbeit gelungen, die Struktur eines Eiweißkomplexes aufzuklären, der maßgeblich an der Signalweiterleitung in Krebszellen beteiligt ist.

Die Zellen eines Organismus empfangen laufend eine Vielfalt an Signalen aus ihrer Umgebung. Eiweißmoleküle an der Zelloberfläche registrieren diese Signale und leiten sie ins Innere der Zelle weiter, wo sie aufgenommen, interpretiert und verarbeitet werden. Je nach Art des Signals werden die Zellen dazu angeregt, zu wachsen, sich zu teilen oder aber – wenn diese Zellen nicht mehr gebraucht werden – durch programmierten Zelltod „Selbstmord zu begehen“. Entgleisen diese komplexen Prozesse, so entstehen Krankheiten wie beispielsweise Krebs. In diesem Fall empfängt eine Zelle ein Wachstumssignal aus der Umgebung, das sie falsch interpretiert und auf das sie mit ungehemmtem Wachstum reagiert. Aus der unkontrollierten Zellteilung entsteht schließlich ein Tumor.

Erfolgreiche Zusammenarbeit eindrucksvoll belohnt

Die beiden Forscherteams aus Wien und Innsbruck arbeiten bereits seit längerer Zeit erfolgreich zusammen. Sie hatten sich die Aufgabe gestellt, einen der Eiweißkomplexe, die für den Empfang und die Weiterleitung von Signalen verantwortlich sind, auf der molekularen und atomaren Ebene zu verstehen. Der untersuchte Eiweißkomplex besteht aus zwei kleinen Eiweißkörpern, die genau gleich groß sind und gemeinsam eine so genannte Gerüstplattform bilden, an die sich signal-weiterleitende Enzymkomplexe (so genannte MAP-Kinasen) binden können. Obwohl diese beiden Eiweißkörper aus einer komplett unterschiedlichen Abfolge von Aminosäuren bestehen haben sie eine nahezu identische dreidimensionale Struktur. Diese „Zwillinge“ fungieren als Signalempfänger und -weiterleiter und sind an bestimmten Stellen in der Zelle, am so genannten späten Endosom, lokalisiert. Dadurch können Signale von außen in räumlich und zeitlich koordinierter Weise übertragen werden.

International beachtete neue Chance für die Krebstherapie

Die Arbeit der zwei Forscherteams ist soeben in der renommierten amerikanischen Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) erschienen (Vol. 101 vom 27. 7. 04, pp. 10984-10989). Die Autoren präsentieren darin die Kristallstruktur des Signalkomplexes mit dem Namen p14-MP1 in atomarer Auflösung. Sie beschreiben auch, wie der Komplex am späten Endosom verankert ist und hier für die Weiterleitung einer ganz bestimmten Signalqualität innerhalb eines Regelkreises sorgt. Denkt man an Krankheiten wie Krebs oder auch Entzündungsvorgänge, bei denen diese Regelkreise entgleist sind, so könnten die jüngsten Ergebnisse die Entwicklung vollkommen neuer Therapeutika ermöglichen. „Wir haben hier“, so Lukas Huber, „in ganz idealer Weise zusammengearbeitet, auf der einen Seite wir von der Krebsforschung in Innsbruck mit unserer biologischen Fragestellung, auf der anderen Seite der erfahrene Strukturbiologe Dr. Tim Clausen mit seinem Team am IMP. Das Resultat ist toll: Wir verstehen jetzt erstmals, wie die an diesen Signalweiterleitungen beteiligten Moleküle miteinander interagieren, wo sie aneinander binden und wie wir dieses Wissen therapeutisch ausnützen könnten. Wir könnten zum Beispiel mit einem extra dafür entworfenen Medikament den p14-MP1 Komplex spezifisch hemmen, um so einen falsch gelaufenen Regelkreis bei der Krankheitsentstehung zu unterbrechen, ohne dabei andere vitale Funktionen im gesunden Gewebe negativ zu beeinflussen“.

Die Innsbrucker Wissenschaftler wollen ihre Entdeckung jetzt weiterverfolgen und denken daran auf der Basis ihrer Ergebnisse ein entsprechendes Medikament zu entwickeln. Dies könnte entweder in Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie passieren oder in einer eigenen Biotech-Firma am Standort Innsbruck, die als so genanntes Spin-off aus der Universität heraus gegründet werden könnte.

Das IMP in Wien ist ein Grundlagenforschungsinstitut und wird überwiegend von Boehringer Ingelheim finanziert. Die Innsbrucker Wissenschaftler sind im Rahmen des Österreichischen Genomprogramms (GEN-AU) und des Spezialforschungsbereiches SFB 021 „Zellwachstum und Zelltod in Tumoren“ (FWF) tätig. Außerdem werden sie vom Center of Academic Spin-Offs Tyrol (CAST) und der Tiroler Zukunftsstiftung unterstützt.