MUI Scientist to Watch: Clara Baldin
Um herausragende Wissenschafterinnen und Wissenschafter vor den Vorhang zu holen, hat die Medizinische Universität Innsbruck das Programm „MUI Scientist to watch“ etabliert. Damit haben ForscherInnen die Möglichkeit, alle drei Monate ihre jeweils beste Arbeit einzureichen und von einem unabhängigen Komitee bewerten zu lassen. Ein Portrait der erfolgreichen KandidatInnen und die Hintergründe ihrer Forschung lesen Sie in jedem Quartal auf myPoint.
Clara Baldin hat das Rennen in der jüngsten Ausschreibungsrunde des Programms MUI Scientist to watch gemacht. Die 36-jährige forscht seit 2020 im Rahmen eines Lise-Meitner-Projekts des FWF am Institut für Molekularbiolgie (Leiter: Prof. Hubertus Haas) an der „Eisenregulation und Virulenz in Aspergillus fumigatus“. Humanpathogene Pilze wie eben Aspergillus fumigatus stehen seit langem im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses der gebürtigen Venezianerin. Anstatt sich aber wie üblich zwei Jahre in Vollzeit dem FWF-Projekt zu widmen, entschloss Baldin sich „in zwei zu teilen“, wie sie sagt.
„Bei meiner Ankunft in Innsbruck bekam ich einen Vertrag für ein Jahr. Ich reichte in dieser Zeit mein Projekt beim FWF ein, aber das Verfahren dauerte länger als gedacht, weshalb ich mich parallel für eine Position am Institut für Biologische Chemie (Leiter: Prof. Klaus Scheffzek) im Biozentrum bewarb“, erzählt sie. Es kam, wie es kommen sollte. Das Projekt wurde bewilligt. Und die Stelle an der Biologische Chemie, wo es um die Charakterisierung des Neurofibromin-Proteins (Mutationen des Gens verursachen die vielschichtige Erkrankung Neurofibromatose Typ1) geht, erhielt sie auch. „Jetzt arbeite ich zu jeweils 50 Prozent auf zwei Gebieten, die nicht direkt etwas miteinander zu tun haben. Aber ich freue mich über die Chance mich in einem neuen Wissenschaftszweig zu vertiefen. Gleichzeitig ist das Lise-Meitner-Projekt eine sehr große Anerkennung für mich“, sagt Baldin.
Die Untersuchung humanpathogener Pilze ist ein Schwerpunkt am Institut für Molekularbiologie. Dessen Leiter, Hubertus Haas, lernte Baldin bereits als PhD-Studentin in Jena kennen, wo sie mit einer Marie-Skłodowska-Curie-Förderung ausgestattet am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie bereits an molekularen Signalwegen in A. fumigatus forschte. „Hubertus Haas ist ein Eisen-Experte, manchmal wird er in unserem Feld auch als Iron-Man bezeichnet“, sagt sie lachend. Auf seine Expertise kann Baldin auch in ihrem aktuellen Projekt zurückgreifen. Immerhin geht es dabei darum, neue Angriffspunkte gegen den Schimmelpilz A. fumigatus in dessen Eisenregulation zu suchen. „Der Pilz muss sich Eisen beschaffen, um zu funktionieren und eine Vielzahl von Genen ist in der Eisenhomöostase involviert. Wir möchten die Anpassung von A. fumigatus an Eisenmangel charakterisieren“, erklärt Baldin. Sie konzentriert sich dabei auf den Transkriptionsfaktor HapX, der neben SreA als Kernprotein im Eisenstoffwechsel fungiert. „HapX und SreA bedingen einander. HapX wird unter Eisenmangel aktiv, SreA unter ausreichender Eisenversorgung. Je nach Verfügbarkeit von Eisen, adaptieren sie Eisenaufnahme und Eisenverbrauch.
Aspergillus fumigatus gilt als einer der gefährlichsten Schimmelpilze für Menschen, deren Immunsystem aufgrund einer Vorerkrankung – Krebs, HIV, Organtransplantation usw. –geschwächt ist. „Wir atmen Tausende Pilzsporen jeden Tag ein. Für immunkompetente Menschen ist das harmlos. Doch für Immunsupprimierte kann das lebensgefährlich sein. Die Mortalitätsrate infizierter Patienten liegt dabei zwischen 50 und 90 Prozent. Da sich der Pilz sehr schnell adaptiert und Resistenzen entwickelt ist die Erforschung dieses Humanpathogens von sehr großer Bedeutung ist.“, schildert Baldin. Die Italienerin hat nach ihrem Aufenthalt in Jena noch Station am Harbor UCLA Medical Center in Los Angeles eingelegt und dort durch die Nähe zum angeschlossenen Spital berührende Erfahrungen machen dürfen. „Als Grundlagenforscher verbringen wir die meiste Zeit im Labor und haben üblicherweise keinen Kontakt mit Patienten. In Los Angeles konnte ich wirklich ein Gefühl dafür bekommen, wie wichtig die Grundlagenforschung ist.“ Mit der Arbeitsgruppe am Department für Infectious Diseases hat Baldin einen Antikörper gegen das Toxin eines anderen Pilzes, Rhizopus, entwickelt. Infektionen mit Rhizopus, der in den Medien auch als ‚Black Fungus‘ bekannt ist, sind zuletzt vermehrt im Zuge der Coronavirus-Krise in Indien aufgetreten. „Die Situation ist sehr schlimm. Covid-erkrankte Patienten, die mit Kortikosteroiden behandelt wurden, vor allem Diabetiker, sind vermehrt anfällig für Rhizopus/Mucorales-Infektionen. Wenn sie überleben, verlieren sie häufig ein Auge oder Teile der Nase“, schildert Baldin. Ihr Forschungsdrang hat sie dann schließlich ans Institut für Molekularbiologie nach Innsbruck geführt. „Mein Ziel ist es, meine Expertise hier anzuwenden, um weitere Faktoren der Pathogenität zu erforschern. Ich will etwas Neues machen, und in unerforschte Gebiete vordringen.“
Eigentlich habe sie Genetikerin werden wollen, um Menschen zu helfen. Doch dieses Fach wurde damals in ihrem Umfeld nicht angeboten. „Zunächst habe ich deshalb in Padua das Bachelorstudium Biotechnologie abgeschlossen. Im Anschluss habe ich mich für den Master in Industrielle Biotechnologie, Genomik und Funktionelle Proteomik entschieden.“ In Innsbruck gibt es jetzt zwar Zeiten, in denen sie das Meer vermisst, aber sie mag den Inn. Überhaupt sei die Stadt genau richtig für sie – nicht zu groß, nicht zu klein mit wunderschönem Panorama. Von ihrer Wohnung aus ist Baldin in wenigen Minuten für ausgedehnte Spaziergänge im Wald. Eher anzutreffen ist sie aber am CCB, wo sie die meiste Zeit verbringt – forschend, aber auch lehrend. „Ich unterrichte im vorklinischen Biochemie-Kurs. Ich habe viel Freude daran und es ist ein gutes Gefühl, den Studierenden etwas mitgeben zu können.“
04.06.2021 Text: T. Mair